Besuch bei Microsoft Österreich: Voraussetzungen für erfolgreiches Content Marketing

Ich hatte das Glück, diese Woche als Gast an einem internen Marketing Community Event bei Microsoft Österreich teilnehmen zu dürfen. Thema: Content Marketing, Best-Practices und Umsetzung. Alles in allem war das ein äußerst netter und interessanter Abend. Meine Präsentation hab ich im Nachhinein auch schriftlich zusammengefasst.

Ich habe auf das Thema Content Marketing eine strategische Perspektive. In meiner Präsentation stelle ich Voraussetzungen für erfolgreiches Content Marketing aus diesem strategischen Blickwinkel und bezogen auf die Organisationsebene vor. Als Beispiele nutze ich (bewusst) bestens bekannte Content-Marketing-Best-Practices, weil sie sich gut eignen, um Trends und Wandlungsprozesse von großen Organisationen aufzuzeigen.


The Magic of Content: 5 Formeln für relevante Inhalte

Es braucht bestimmte Schritte im Vorfeld, um erfolgreiches Content Marketing betreiben zu können. Aus Organisationsperspektive sind diese zunächst immer strategischer Natur und helfen dabei, Inhalte zu produzieren, bereitzustellen und zu verwalten, die relevant sind, hohe Qualität haben und konsistent über alle Plattformen dieselbe Botschaft kommunizieren.

Entsprechen die Inhalte nicht diesen Anforderungen, wenden die User ihre Aufmerksamkeit sofort wieder ab – wenn sie das Gefühl haben, keinen Mehrwert durch das Inhaltsangebot zu haben. Außerdem sind sie heute nicht mehr zugänglich für reine Produktpräsentationen oder Inhalte, die lediglich die Organisation und ihre Leistungen loben.

#1 Kenne Deine Nutzer

Organisationen müssen sich, noch bevor sie Inhalte produzieren, Fragen zu ihrer Zielgruppe stellen: Wer sind eigentlich meine Nutzer? Welche Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen, Werte und Einstellungen haben sie? Was zeichnet sie aus und wie nehmen sie meine Marke bzw. mein Produkt wahr?

Langfristige Nutzerforschung ist ein zentraler Teil von Content Marketing – wie auch von Content Strategy – und dient dazu, über vage Annahmen und Stereotypen hinauszugehen, und die Nutzer wirklich zu verstehen. Dabei ist es wichtig, sich nicht nur auf Behaviour Data (über Website Analytics oder Marketing Automation Analytics) zu verlassen. Diese Daten zeigen zwar, was die Nutzer tun. Zum Beispiel wie viele Menschen ein Video angeschaut, eine Mail geöffnet oder einen Blogpost geshared haben. Sie geben aber keine Antwort auf Fragen wie:

  • Wer genau nutzt den Content?
  • Wie werden Content und Marke wahrgenommen?
  • Was erwarten sich die Nutzer vom Content und erfüllt der Content diese Erwartungen auch?
  • Welche Entscheidungen treffen die User bei oder nach der Nutzung des Content? usw.

Wenn es also darum geht, möglichst effektive Inhalte zu produzieren bzw. die Effektivität der Inhalte zu bewerten, ist es nötig herauszufinden, was die Menschen über den Content denken. Hier kommen also auch qualitative Methoden ins Spiel.

Red Bull: Zielgruppe Adrenalinjunkies

Ein gutes Beispiel für eine Organisation mit ganz klar definierter, primärer Zielgruppe ist Red Bull: Diese Menschen sind jung, urban, männlich, zwischen 16 und 29 Jahren alt. Prototypische Konsumenten haben einen aufregenden, abenteuerlichen Lebensstil. Der Claim lautet „They live life on the edge“ – oder sie versuchen es zumindest. Sie nehmen an Konkurrenz- oder Extremsport bzw. Abenteueraktivitäten teil.
Gemeint sind Menschen, die Adrenalinkicks lieben, Abenteuer und Herausforderung suchen, über ihre eigenen Grenzen hinausgehen wollen und sich in Wettbewerben messen.

Alle Inhalte von Red Bull sind auf diese „Adrenalinjunkies“ zugeschnitten. Das Unternehmen geht über rein demographische, geographische und psychographische Merkmale bei der Definition der Zielgruppe hinaus und bedient sich sogenannter „Behavioural Segmentation“: Die Beziehung des Individuums zum Produkt und vor allem der Nutzungskontext stehen im Vordergrund.

Ich hab als Beispiel für solche Inhalte das letzte Video gezeigt, das Red Bull vor meiner Präsentation auf dem Youtube-Channel veröffentlicht hat.


#2 Wähle Deine Plattformen

Seine Inhalte produziert Red Bull so, dass sie optimal sharable sind. Im Sinne von „Liquid Content“ eignen sie sich also zur Publikation auf den unterschiedlichsten Medienkanälen und Plattformen – und die bedient Red Bull auch. Die Zielgruppe wird dort abgeholt, wo sie sich aufhält. Red Bull betreibt diese crossemediale Publikationsstrategie bewusst und konsequent – immer unter der Voraussetzung, dass die Inhalte hochwertig und auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Vor allem im Netz bieten sich hier viele Möglichkeiten. Eine Folge davon ist, dass die TV-Werbungen („Red Bull verleiht Flüüügel“) immer weniger werden.

Zur Interaktion mit der Zielgruppe gehört auch die Ansprache von spezifischen Nischencommunitys durch Red Bull. Das passiert vor allem über Sponsoring von Events an. Diese Veranstaltungen bilden umgekehrt wieder den Rahmen, um hochwertigen Markencontent zu produzieren und redaktionell aufzubereiten. Hierbei steht nie das Produkt – also der Energy-Drink Red Bull – im Vordergrund. Das Paradebeispiel diesbezüglich ist der Stratos-Sprung von Felix Baumgartner, der auf allen Kanälen medial begleitet wurde. Weitere Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum sind die Red Bull Music Academy, Red Bull 12 to 12 oder der Red Bull Goldi Talente Cup.

#3 Definiere Deine Botschaften

Wenn sich Organisationen über ihre (Business-)Ziele bewusst sind, beantwortet das noch nicht die Frage, was sie am besten wie im Web kommunizieren. Daher brauchen sie ganz konkrete Botschaften, die konsistent durch alle Inhalte demonstriert werden – egal ob es sich um ein Video, einen Websiteartikel, ein Facebook-Posting oder einen Tweet handelt. So kann auch verhindert werden, dass die Organisation nur über sich selbst, ihre Produkte und Leistungen spricht.

Rügenwalder: „Familienunternehmen mit Gesicht“

Ein Paradebeispiel für gelungenes Content Marekting ist in diesem Zusammenhang der deutsche Wurstproduzent Rügenwalder Mühle. Mit der neuen Kampagne wird die Botschaft vermittelt: „Wir sind ein Familienunternehmen mit Gesicht“. Ziele sind, das Unternehmen transparent zu machen, verlässliche, sympathische und glückliche Mitarbeiter zu zeigen und Vertrauen und Glaubwürdigkeit nach dem Fleischskandal zu schaffen. Dazu wird stark auf Personalisierung und Storytelling gesetzt.

Die Idee der Kampagne: Mitarbeiter der Rügenwalder Mühle werden zum Aushängeschild, zum Sprachrohr, zu Testimonials. Erklärtes Ziel aller Maßnahmen: Die Verbraucher sollen direkten Kontakt zu den Mitarbeitern bekommen und die Personen kennen lernen, die hinter den Produkten stehen. Egal ob aus der Verpackung, dem Qualitätsmanagement oder der Produktentwicklung. Obwohl die vertrauensfördernde Kampagne erst im Sommer gestartet ist, weiß Rügenwalder schon heute: Sie wirkt sich deutlich positiv auf den Umsatz aus. Gleichzeitig zahlt sie auf die Arbeitgebermarke ein.


#4 Werde zum Publisher

Coca Cola macht bereits seit einigen Jahren mit seinem Content Marketing, das stark auf Storytelling setzt, von sich reden. Das Getränk steht dabei eigentlich schon seit langem nicht mehr im Vordergrund. Vielmehr werden Geschichten erzählt, die „emotional ties“ mit den Nutzern herstellen und sie an die Marke binden sollen.

Der letzte große Coup von Coca Cola war im vergangenen Jahr der Launch von Coca Cola Journey. Ursprünglich war das eine Printpublikation, die in die digitale Welt „überführt“ wurde. Das Unternehmen setzt seither im Zusammenhang mit Journey gezielt auf Brand Journalism, um Content zu produzieren, der Relevanz für die Nutzer hat und gleichzeitig den Markenwerten entspricht.

Trend zur Content-Redaktion

Auch Coca Cola hat einen Newsroom. Es wurden dort keine Werbetexter oder PR-Fachleute eingestellt, sondern Journalisten, die auch journalistisch arbeiten und journalistischen Prozessen bei der Inhaltsproduktion folgen (z.B. Redaktionssitzungen, Checklisten, usw.). Die Tendenz zur Bildung von solchen Content-Redaktionen im Unternehmen ist in letzter Zeit verstärkt zu bemerken; ein Zeichen dafür, dass Content verstärkt als (ökonomisch wertvolles) Business Asset begriffen wird und Ressourcen in seine Produktion, Bereitstellung und Verwaltung investiert werden.

Langfristig möchte Coca Cola zwei Ziele erreichen: Die Corporate Website abschaffen und Presseaussendungen killen. Das ist interessant, weil es aus meiner Sicht die generelle Richtung vorgibt, in die sich Organisationskommunikation in Zukunft im Web entwickeln wird.


#5 Formuliere Deine Content Strategy

Mein Fazit und die wichtigste Voraussetzung: Erfolgreiches Content Marketing baut immer auf einer klar formulierten Content Strategy auf, die noch vor der Umsetzung von Kampagnen oder Produktion von Inhalten ansetzt. Die Content Strategy muss auf Management-Ebene verankert sein, es muss Commitment im Unternehmen für die Bedeutung und den Wert von Content geben. Die Fokussierung auf Content muss außerdem Teil der Gesamtentwicklungsstrategie der Organisation sein, die wiederum Wandlungsprozesse in Richtung „Media Company“ ermöglicht und fördert („Every company is a media company“).

Um also mit relevanten Inhalten Content Marketing zu machen, braucht es als Basis immer eine Content Strategy, die zyklische und wiederholbare Prozesse beinhaltet, empirisch fundiert ist und fortwährend weiterentwickelt wird. Dieser Trend, die strategische Komponente beim Planen und Publizieren von Inhalten, wird in Zukunft aus meiner Sicht über den langfristigen Erfolg von (Web-)Kommunikation entscheiden.

Interne Strukturen & Strategie

Professionelle Content Marketer wissen um die Bedeutung von Content Strategy: Nur wenn es einen ganzheitlichen Plan auf Organisationsebene gibt, wann, wie, wo, durch wen Inhalte produziert, bereitgestellt und verwaltet werden, kann inhaltliche Konsistenz in der gesamten Kommunikation erreicht werden. Nur dann kann die Marke ihre unterschiedlichen Inhalte aufeinander abstimmen und einheitliche Botschaften an die Nutzer herantragen.

Content Marketing betrifft also die Umsetzungsebene, die Interaktion mit den NutzerInnen, und soll Engagement und Brand Awareness schaffen. Um konsistent Inhalte mit Relevanz und hoher Qualität zu produzieren, braucht es jedoch intern strukturierte und klar definierte Prozesse, die alle einem strategischen Ziel folgen.

Unternehmen brauchen nicht noch mehr Inhalte!

Halvorson_Tweet
Sie brauchen Inhalte, die relevant sind, konsistent auf allen Kanälen sind und hohe Qualität haben – das schaffen sie, indem sie begreifen, dass sie „Medienunternehmen“ sind, dass sie Ressourcen in die Hand nehmen müssen, dass sie einen Change-Prozess zu durchlaufen haben (auch intern) und dass sie Content als ökonomisch wertvolles Business Asset begreifen müssen.