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Vergangene Woche habe ich für pr-blogger.de einen Post über das großartige Buch „Content Strategy for the Web“ von Kristina Halvorson geschrieben, das einen leitfadenartigen Einblick in die Praxis der Content Strategie gibt.

Bei Buchbesprechungen hat man bekanntlicherweise nie genug Platz (besonders für Lobeshymnen oder vernichtende Kritik). Aber ich bin so frei und nehme mir in Kürze hier den Platz, Halvorson’s Inhalte genauer zu beleuchten. Das ist ein Versprechen!

Argumente für Content Strategie. Wenn ich Entscheidungsträgerin wäre…

Unternehmen können bisher den ökonomischen Wert von sinnvoller und richtiger Webkommunikation nur ungenügend oder gar nicht einschätzen. Deshalb liegt es an uns, die Entscheidungsträger von der Sinnhaftigkeit einer Content Strategie zu überzeugen. Wir brauchen stichhaltige Argumente, Leute!

Wenn ich Entscheidungsträgerin in einem Unternehmen mit einer Webpräsenz wäre, würde ich einen Batzen Kohle in die Hand nehmen, einen guten Content Strategen einstellen, ihm vertrauen und ihn machen lassen. Er würde dann empirisch fundierte Useranalysen durchführen, meinen bestehenden Content genau untersuchen und dafür sorgen, dass neue, verbesserte und brauchbare Inhalte entstehen. Er würde redaktionelle Prozesse einführen, die die Aktualität, Relevanz und Auffindbarkeit meines Content garantieren und sich überlegen, welche Ressourcen zu dessen langfristiger Pflege benötigt werden. Außerdem würde er die eingefahrenen Onlineerfolge messen (in Zahlen!) und mir ausführlich Bericht darüber erstatten, wie er es geschafft hat, dass jetzt nicht nur meine User zufrieden sind und ihre Erwartungen erfüllt sehen, wenn sie sich mit meinem Webauftritt auseinandersetzen, sondern auch, wie ich mit gutem Content meinen ökonomischen Zielen Schritt für Schritt näher komme.

Der begrabene Hund: stichhaltige Argumente
Ich bin keine Entscheidungsträgerin in einem Unternehmen mit Webpräsenz. Der Grund, warum ich, wenn ich einer wäre, einen Content Strategen einstellen würde, wäre, weil ich wüßte, welche Vorteile ich davon hätte. Und da liegt auch schon der Hund begraben: Unternehmen wissen nicht, welche Vorteile sie von (für die User) nützlichem, sinnvollem, richtigem Content haben. Oder welche Nachteile schlechte, unbrauchbare, unverständliche Inhalte mit sich bringen.

Dieser Um- bzw. Missstand ist vielleicht nicht sofort offensichtlich, jedoch wesentlich. Eines haben alle Unternehmen bzw. deren Entscheidungsträger gemeinsam: Am Ende des Tages wollen sie ein fettes schwarzes Plus sehen, Gewinne einfahren. Und da stellt sich berechtigterweise die Frage: WARUM sollten sie Ressourcen in eine aufwendige und kostenintensive Content Strategie investieren, wenn deren Erfolg für sie nicht gewiss ist und sie im Gegenteil sogar ein Verlustgeschäft bedeuten kann?

Der Wert von richtigem Content für Unternehmen ist vielerorts also noch nicht klar. Das betont auch Melissa Rach in ihrem Blogpost „The Business of Content“:

„Today, content (particularly online content) has become such a critical part of business success that it can’t be ignored.  Businesses know they need content—badly—but have no idea what it’s worth or how to justify spending money on it. While technology keeps driving the need for more content and related services, economics and business theory are struggling to catch up.“

Der Schluss: Will man Unternehmen Content Strategie näher bringen und Inhalte als wichtiges Business Asset in ihrem Zugang verankern, müssen stichhaltige (ökonomische) Argumente  vorgebracht werden. Auch wenn bereits Awareness für die Notwendigkeit von Webkommunikation besteht – eine Content Strategie geht weit über „Machen wir eine Facebook-Page!“ und „Lasst uns die Website neu gestalten!“ hinaus. Es gilt also, Überzeugungsarbeit zu leisten. Sonst bleibt der Hund begraben – und mag er sich auch die Seele aus dem Hals bellen.

Wenn ich Content Strategin wäre…
Wenn ich Content Strategin wäre, würde ich mir also Argumente zurecht legen, die Entscheidungsträger von der ökonomischen Sinnhaftigkeit einer Content Strategie überzeugen. Dafür muss allerdings intensive Vorarbeit geleistet werden. Bisher gibt es noch keine umfassenden, absolut verlässlichen und wasserdichten empirischen Messmethoden für den Erfolg von Webkommunikation. Es ist essentiell, so viele Zahlen wie möglich zu sammeln, zu vergleichen und zu analysieren. Vielfach allerdings bleibt der Content Stratege auf seiner Bekehrungsmission weit vor diesem Punkt stecken. In ihrem großartigen Buch „Content Strategy for the Web“ nennt Kristina Halvorson an dieser Stelle drei Beispiele, wie die Bedeutung von Content Strategie als Business Asset argumentiert werden kann.

1. Dokumentation von Fallbeispielen
Wenn Entscheidungsträger keine konkreten Zahlen bekommen können, wollen sie Beispiele: Wie haben es die anderen aus der Branche gemacht? Gibt es Erfolgsrezepte? Wie sollten wir es auf keinen Fall machen? Wenn der Content Stratege Good- und Worst-Practice-Beispiele vorlegt, kann er damit gleichzeitig Notwendigkeiten begründen. Wichtig ist hier allerdings, dass branchennahe Szenarien vorgestellt werden. Es hat keinen Sinn, einem business-to-business-Softwareunternehmen die Content Strategie einer Warenhauskette zu präsentieren.

2. Dokumentation von Contenterhebungen
Mit der Dokumentation von sogenannten Content Audits (–> der gesamte Content eines Unternehmens wird quantitativ und qualitativ überprüft) kann den Entscheidungsträgern die Content-Krise in ihrer ganzen unschönen Leibhaftigkeit vor Augen geführt werden. Um Awareness für das Thema zu erzeugen, ist es nicht unbedingt notwendig, den Content des betreffenden Unternehmens zu reviewen. Auf einem großen Spreadsheet oder in Tabellenform sind alle Mängel der Inhalte detailliert aufgelistet – das überzeugt davon, dass es an der Zeit ist, etwas zu tun.

3. Dokumentation von contentrelevanten Prozessen
Eine Content Strategie definiert nicht nur die Inhalte eines Unternehmens neu, anders und besser. Es geht zu einem großen Teil auch darum, Arbeitsprozesse einzuführen, die dauerhaft zu aktuellem, relevantem, sinnvollem Content führen. Diese (hauptsächlich redaktionellen) Prozesse sind in vielen Unternehmen mehr oder weniger gar nicht vorhanden bzw. nicht definiert oder dokumentiert. Entscheidungsträger können die Chancen für das eigene Unternehmen in diesem Bereich erst erkennen, wenn ihnen vor Augen geführt wird, dass strukturierte Prozesse zur langfristigen Pflege von Content essentiell sind – und ihnen diese Prozesse fehlen.

„Prove the value of our work“
Bereitet der Content Stratege diese Dokumentationen sorgsam und detailliert vor, hat er erste Argumente in der Hand um zu zeigen, dass der aktuelle Content eines Unternehmens nicht funktioniert, die bestehenden Prozesse mangelhaft sind und dass die Konkurrenz schon auf dem richtigen Weg ist (Ohoh!). In weiterer Folge kann er seine Content-Empfehlungen und Lösungsansätze für die aufgezeigten Probleme präsentieren. Er wird auf offen(er)e Ohren stoßen, wenn die Entscheidungsträger die Schwächen und das Verbesserungspotenzial der eigenen Inhalte sowie die im Endeffekt positiven Auswirkungen einer Content Strategie auf die Business Objectives des Unternehmens erkennen.

Melissa Rach unterstreicht auf contentsmagazine.com, dass es für die Disziplin der Content Strategie entscheidend ist, Unternehmen zu verdeutlichen, welchen WERT guter Content hat. Erkennen die Entscheidungsträger die Bedeutung von Content Strategen für ihren wirtschaftlichen Erfolg, rücken diese aus dem Schatten der Nebensächlichkeit und endlich an den Konferenztisch.

„(…) we’re going to have to find new ways to prove the value of our work, so we can get funded and paid (oh, that!). It means there’s an opportunity to change our role in the organization—from being on the “nice-to-have” sidelines to sitting at the boardroom table with the people who set vision and strategy.“